Gedanken im Advent 2 – Zeitreise
Wir erleben so viel und gleichzeitig verschwindet so viel einfach wieder im Orkus. Wir hatten die Stunden eines Menschenlebens gezählt und dabei festgestellt, daß es wenige bedeutsame Stunden sind, die man wirklich einfangen und aufheben sollte, aber welche und wie?
Für mich sind es in zunehmendem Alter die Reisen, die solche besonderen Stunden bereithalten. Nicht, daß ich meine Erlebnisse voraussagen könnte, doch mit dem Losfahren begebe ich mich ganz bewußt in Rahmenbedingungen hinein, in denen etwas Aufregendes passieren kann. Und dann passiert meistens auch irgend etwas. Jetzt entstehen die besten Fotos. Wenn ich auf meinen Reisen photographiere, erstelle ich eigentlich immer Fotoserien. Das sind oft Situationen, die mit Anfang, Verlauf und Ende eine Reihe von Bildern ergeben, so daß für mich eine kleine Geschichte daraus wird. Letztlich sind es nicht starre Einzelbilder, schön arrangiert, sondern diese kleinen Erlebnisgeschichten in ebenso kleinen Bildfolgen, die bei mir in der Erinnerung haften bleiben. Jahresreisen als Daumenkino? Na und? Und der Rest? Es muß auch Dinge geben, die wir getrost vergessen dürfen. Ich jedenfalls muß nicht alles knipsen und für die Ewigkeit auf Celluloid oder Festplatte aufheben. Und Sie?
Ein alter Spruch sagt, wer losfährt, will eigentlich ankommen. In Skandinavien wünscht man dem Fortreisenden „Willkommen zurück“. Dann nämlich kann er oder sie etwas mitbringen, vielleicht über merkwürdige Erlebnisse, zusammengefaßt in einer abendlichen Stunde, berichten. Er tut das für seinen Kreis, aber glauben Sie mir, er tut das auch und vor allem für sich selbst. Ich jedenfalls komme mindestens ebenso gerne wieder nach Hause zurück zu meiner Familie oder zu Freunden, wie ich losfahre. Dann wird eine ganze Reihe von Erlebnissen durch den Filter meiner Erinnerung und an Hand meiner untrüglichen Fotobeweise, zu dieser einen besonderen Stunde, die alle Strapazen vergessen macht. Eine Diashow, ein Fotokalender als Abriß einer Lebenszeitreise? Davon aber beim nächsten Mal mehr.
Fahren wir fort oder kommen wir an? Das fragt sich im Advent
Jörg Binas